3. September 2021 Armin Hoyer

BMW R 18 B | Neuer Bagger aus Bayern

Armin on BMW R 18 B | Photo: Jörg Künstle

Frankfurt am Main | Hessen – Entspanntes Cruisen auf der Landstraße, dazu die Klänge von Mars Bonfire´s „Born to be wild“ aus der Marshall Soundanlage. Der Wind streicht sanft über den Helm, der Big Boxer läuft untertourig im sechsten Gang und man verspürt ein starkes Gefühl von Freiheit. Das ist die neue BMW R 18 B…

Zahlreiche europäische Medien folgten dem Ruf von BMW Motorrad in die Finanzmetropole am Main zur Präsentation der neuen R 18 B und R 18 Transcontinental. Eingeladen von der BMW Group in Österreich reiste ich zu diesem internationalen Media Launch und erhielt die Gelegenheit, den neuen Bagger einen Tag lang ausgiebig zu testen. Bagger sind Tourenmotorräder mit gekürztem Windschild und fließend in das Design integrierten Seitenkoffern. Die neue BMW R 18 B fällt in diese Kategorie. Die R 18 Transcontinental ist dagegen ein klassisches Tourenmotorrad mit höherem Windschild, Windabweisern und einem zusätzlichen Topcase inklusive integrierter Lehne. Beide Modelle basieren auf der klassischen R 18, die im letzten Jahr präsentiert wurde und über den neuen „Big Boxer“ verfügt.

Am ersten Abend erfolgte die Vorstellung der neuen Modelle durch Markus Schramm, den Senior Vice President (Leiter) von BMW Motorrad und die Produktexperten Josef Miritsch (Leiter Boxer-Motoren) sowie Gerhard Müller (Projektleiter BMW R 18 B & R 18 Transcontinental). Tags darauf starteten wir in der Früh mit der BMW R 18 B zu einer ganztägigen Tour durch den Taunus östlich von Frankfurt. Die Entriegelung des Lenkschlosses und die Aktivierung der Zündung erfolgt über eine Taste an der rechten Lenkerarmatur, der Schlüssel muss lediglich mitgeführt werden.

BIG BOXER ALS ZENTRALES ELEMENT

Mit einem leichten Rütteln erwacht der Motor zum Leben. Der größte Zweizylinder-Boxermotor, den BMW jemals gebaut hat, verfügt über 1.802 cm³ und bringt inklusive Getriebe und Sauganlage 111 Kilogramm auf die Waage. Der optisch eindrucksvolle Big Boxer leistet 91 PS (67 kW) bei 4.750 U/min. Das maximale Drehmoment von 158 Nm steht bereits bei 3.000 U/min zur Verfügung. In der Praxis zeigte sich, dass der Motor bereits ab 1.000 U/min kraftvoll und vollkommen ruckelfrei hochdreht, was wirklich beeindruckend ist. Der Durchzug ist in jeder Lebenslage enorm. Dabei wird das Drehmoment mit dem klassischen Kardanantrieb mit offen laufender Gelenkwelle und Kreuzgelenk vom Getriebe zum Hinterrad übertragen.

SOUVERÄNES CRUISEN IM TAUNUS

Nach einem kurzen Autobahnstück kamen wir auf die Landstraße, die von Kilometer zu Kilometer kurvenreicher wurde. Der Retro-Cruiser lässt sich erstaunlich agil bewegen, lenkt bereitwillig in Kurven ein und verfügt für einen Bagger über ausreichend Schräglagenfreiheit. Die Fahrwerksauslegung liegt eher auf der straffen Seite, ohne jedoch ausreichend Komfort vermissen zu lassen. Dies kommt in Kombination mit der gegenüber der R 18 leicht veränderten Fahrwerksgeometrie der Fahrdynamik zugute.

Der im BMW Motorradwerk Berlin-Spandau gefertigte Doppelschleifen-Rohrrahmen aus Stahl verfügt jetzt über einen 5,4 Grad steileren Lenkkopfwinkel sowie 33,5 Millimeter längeren Nachlauf und damit einen um 36 Millimeter geringeren Radstand. Die klassisch mit Gabelhülsen verkleideten Standrohre der vorderen Teleskopgabel haben einen Durchmesser von stolzen 49 Millimetern. Hinten sorgt ein Cantilever-Federbein mit wegabhängiger Dämpfung für eine komfortable Federung. Das Fahrwerk ist zwar nicht elektronisch einstellbar, eine Hydraulikeinheit sorgt jedoch durch automatische Anpassung der Federvorspannung für einen optimalen Beladungsausgleich.

Die Sitzposition ist aufrecht komfortabel. Die aufgrund der Motorbauart mittige Fußposition hinter den Zylindern entspricht zwar nicht ganz jener von klassischen Cruisern, bringt jedoch eine fahraktivere Haltung, die sich im Test auf 250 Kilometern als sehr angenehm erwies. Das selbst für einen Bagger relativ hohe Gewicht von 398 Kilogramm fällt nur beim Rangieren etwas störend auf. Die elektrische Rückfahrhilfe kann hier zum Teil Abhilfe schaffen.

INFOTAINMENT UND SOUNDANLAGE

Im Cockpit treffen Klassik und Moderne aufeinander. Unter den vier klassischen Rundinstrumenten befindet sich ein 10,25 Zoll großes TFT-Farb-Display mit Full-HD Auflösung, welches in Verbindung mit einem Smartphone und der „BMW Motorrad Connected“-App zur Kartennavigation genutzt werden kann. Das Telefon wird in einem Ablagefach am Tank aufgeladen und dort von einem eigenen Gebläse sogar gekühlt. Über die Menü-Taste und das Drehrad auf der linken Lenkerseite können alle Funktionen am Bildschirm gesteuert werden. Dazu zählt auch das digitale Marshall Soundsystem, das in der Gold Series Stage 1 über vier Lautsprecher sowie einen Verstärker mit einer Systemleistung von 230 Watt verfügt. Die Anlage ermöglichte auch bei höheren Geschwindigkeiten ein eindrucksvolles Klangerlebnis und so kam im Taunus richtige Easy Rider-Stimmung auf. Durch den einwandfreien Radioempfang war auch die Stimme des Radiosprechers immer gut zu verstehen.

ELEKTRONIK MACHT DAS LEBEN LEICHTER

Die Bremsanlage mit Vollintegral ABS verzögert kräftig und gut dosierbar. Sie ist nicht allzu bissig, was zu einem Bagger aber auch nicht passen würde. Das System verteilt die Bremskraft unter Berücksichtigung der Radlastverteilung und des Beladungszustandes optimal zwischen Vorder- und Hinterradbremse. Ganz egal ob man vorne oder hinten bremst, es wird immer auch die andere Bremse automatisch aktiviert. Die elektronische Geschwindigkeitsregelung mit integrierter Abstandsregelung funktionierte im Test einwandfrei. Mit Hilfe des in der Frontverkleidung eingebauten Radarsensors wird unter Berücksichtigung der eingestellten Geschwindigkeit der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug durch automatisches Beschleunigen oder Verzögern konstant gehalten. Die gewünschte Distanz kann in drei Stufen eingestellt werden. Darüber hinaus verringert die automatische Kurvenregelung bei Bedarf die Geschwindigkeit und ermöglicht damit eine optimale Schräglage.

ARMIN ON BIKE CONCLUSIO

Die BMW R 18 B und R 18 Transcontinental sind eine gelungene Erweiterung der Retro-Baureihe mit dem Big Boxer. Der souveräne Antrieb in Kombination mit dem ausgewogenen Fahrwerk sowie die komfortable Ausstattung sind beste Voraussetzungen für genussvolles Cruisen. Das hochwertige Marshall Soundsystem und die umfangreichen elektronischen Fahrhilfen tragen zum entspannten Fahren bei. Der moderate Testverbrauch von knapp unter sechs Litern ergibt in Kombination mit dem 24 Liter Tank eine sehr praxistaugliche Reichweite von 400 Kilometern. Die beiden, innen etwas schmalen Seitenkoffer fassen ein Volumen von jeweils nicht allzu üppigen 26,5 Litern. Für längere Reisen empfiehlt sich daher die Transcontinental, die neben weiteren Komfort-Features über ein zusätzliches Topcase mit 47 Litern Stauraum verfügt. Der Grundpreis der getesteten R 18 B beträgt in Österreich 32.800 Euro. Mit allen Extras kam das Testmotorrad auf 39.358 Euro. Knapp 40.000 Euro sind schon ein recht stolzer Preis für ein Motorrad, der jedoch in Anbetracht des Gebotenen durchaus akzeptabel erscheint.

Text und Fotos: Armin Hoyer – arminonbike.com
Action-Fotos: Markus Jahn, Daniel Kraus, Jörg Künstle – BMW Motorrad

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