12. Februar 2020 Armin Hoyer

Elektrisches aus Milwaukee | Erste Fahreindrücke von der äußerst lebendigen Harley-Davidson LiveWire

Armin on Livewire | Photo: Harley-Davidson

Antequera | Andalusien – Im Rahmen des Presse-Events „Triple-S“ in der spanischen Provinz Malaga ermöglichte mir Harley-Davidson, das erste Mal mit dem rein elektrisch angetriebenen Model LiveWire eine Runde in den Bergen rund um Antequera zu drehen. Ein elektrisierendes Erlebnis der neuen Art…

Von München ging es in die andalusische Metropole Malaga und von dort 50 km ins Landesinnere nach Antequera. Neben dem ausführlichen Softail-Test und einem Hill Climb mit umgebauten Street-Modellen stand auch eine Ausfahrt mit der neuen LiveWire am Programm.

Die LiveWire ist erste Elektromotorrad eines Großserienherstellers und stellt für Harley-Davidson eine echte Revolution dar. Bei der immer älter werdenden Stammkundschaft, die der neuen Technologie noch eher reserviert gegenübersteht, gilt es damit neue Kundensegmente zu erobern. Begonnen hatte das ganze bereits im Jahr 2014 mit einem E-Prototyp, seit Ende 2019 steht das fertige E-Bike bei den Händlern.

IHR HERZSCHLAG IST DEUTLICH SPÜRBAR

Der sechspolige Dreiphasen-Permanentmagnet-Synchronmotor mit der Bezeichnung „Revelation“ generiert eine Spitzenleistung von 78 kW (106 PS) und ein maximales Drehmoment von 116 Nm. Die Dauerleistung beträgt 60 kW (82 PS). Schon im Stand zeigt die Livewire mit ihrem Herzschlag, der durch leichte Impulse des Motors simuliert wird, wie lebendig sie ist.

Beim Wegfahren steht von der ersten Motorumdrehung das volle Drehmoment zur Verfügung. Die Beschleunigung ist phänomenal und dabei durch die Gleichmäßigkeit sehr gut dosier- und damit beherrschbar. Der Sprint von 0-100 km/h ist in knapp über drei Sekunden erledigt, der Durchzug ist in jeder Lebenslage äußerst beeindruckend.

KRAFTQUELLE UND REICHWEITE

Angetrieben wird der Motor von einem Lithium-Ionen-Akku mit einer maximalen Gesamtkapazität von 15,5 kWh. Das sogenannte RESS (Rechargeable Energy Storage System) ist zentral im Leichtmetallgussrahmen eingebaut. Das Leichtmetallgehäuse mit Kühlrippen sorgt für ausreichende Luftkühlung der Kraftquelle. Im Schiebebetrieb fließt durch die vorhandene Rekuperationsfunktion Energie zurück in den Akku.

Die kombinierte Reichweitenangabe von rund 160 km ist nach den Erfahrungen während der rund einstündigen Testfahrt durchaus als realistisch einzuschätzen. Ausführlichere Tests werden eine genauere Beurteilung möglich machen.

Geladen werden kann die LiveWire zum einen mit dem integrierten Level-1-Lader, der mit dem unter dem Sitz verstauten Ladekabel direkt an eine Haushaltssteckdose angeschlossen wird. In einer Stunde lädt dieser Engergie für rund 15 km Reichweite, was eine vollständige Ladung über Nacht ermöglicht. Wesentlich schneller geht es über den CCS2-IEC-Typ-2-Ladestecker an einer Gleichstrom-Schnellladestation. In 40 Minuten von 0 auf 80 Prozent, nach einer Stunde ist der Akku damit zu 100 Prozent aufgeladen.

ELEKTRONISCHE HELFERLEIN DER NEUSTEN GENERATION

Um die hohe Leistung gut auf die Straße bringen zu können, verfügt die Livewire über ein umfangreiches elektronisches Fahrerassistenzsystem. Das sogenannte Reflex Defensive Rider System (RDRS) passt Beschleunigungs- und Verzögerungskräfte an die verfügbare Reifenhaftung an. ABS und Traktionskontrolle wirken sowohl bei Geradeausfahrt als auch in Kurven.

Besonders hilfreich war das RDRS auf den rutschigen Straßen Andalusiens beim vollen Herausbeschleunigen aus engeren Kurven. Regelmäßig war ein leichter Drift des Hinterrades spürbar, bevor das System eingriff. Neben der Straßenbeschaffenheit war vermutlich aber auch die Serienbereifung der Livewire dafür verantwortlich. Der Harley-Davidson Michelin Scorcher Sport ist mehr für seine Haltbarkeit als für optimalen Grip bekannt. Ein Umstieg zum Beispiel auf den Pirelli Diablo Rosso III brächte hier sicherlich eine Verbesserung im Bereich der Haftung.

ARMIN ON BIKE CONCLUSIO

Neben der beeindruckenden Leistung ist mir gleich zu Beginn der Testfahrt die sehr dynamische Sitzposition aufgefallen. Man sitzt sportlich nach vorne gebeugt, obwohl der Lenker in einer angenehmen Höhe angebracht ist. Durch den niedrigen Schwerpunkt aufgrund des tief angeordneten Akkus lenkt der 249 kg schwere E-Streetfighter stets bereitwillig in Kurven ein und ermöglicht eine sehr dynamische Fahrweise. Die gleichmäßige, nicht durch Schaltvorgänge unterbrochene Kraftentfaltung lädt in jeder Lebenslage zum zügigen Beschleunigen ein. Die Elektronik bewahrt einen dabei wie erlebt auch bei schlechteren Straßenverhältnissen vor Ungemach.

Bei einem Preis von rund 34.000 Euro und dem doch sehr ungewöhnlichen Charakter für eine Harley wird sich zeigen, wie erfolgreich die LiveWire am Markt sein wird. Meiner Meinung nach ist sie ein gelungener Schritt in die Zukunft und hat auf jeden Fall eine Chance verdient.

Text: Armin Hoyer – arminonbike.com
Fotos: Harley-Davidson und Armin Hoyer – arminonbike.com
Video: Harley-Davidson, Schnitt und Bearbeitung: Armin Hoyer – arminonbike.com

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