1. Oktober 2021 Armin Hoyer

Polestar 2 | Elektrifizierter Polarstern meets Glockner

Polestar 2 with Grossglockner in the background | Photo: Armin Hoyer - arminonbike.com

Salzburg | Kärnten | Tirol – Am Großglockner, dort wo der Polarstern unserem Land am nächsten kommt, war ich mit dem neuen, rein elektrisch angetriebenen Polestar 2 unterwegs. Die Fahrt war ein würdiger Abschluss meiner heurigen Saison auf der Großglockner Hochalpenstraße. Was ich dort oben erlebte und welche Erfahrungen ich insgesamt mit dem Stromer machte…

Polestar Austria stellte mir den Polestar 2 für diesen Test zur Verfügung. Das äußere Erscheinungsbild des Elektroautos besticht durch das moderne Design und die reduzierte Formensprache. In Verbindung mit einer Vielzahl an schwarzen Elementen steht ihm die Farbe „Snow“ (Crystal White Pearl) sehr gut. Geschmiedete 20-Zoll-Leichtmetallfelgen mit Reifen der Dimension 245/40 und Bremssättel mit goldfarbenem Anstrich runden den optischen Eindruck des Fahrzeugs ab. Die markanten Pixel-LED-Scheinwerfer verfügen über 84 einzeln steuerbare Lichtelemente pro Lampe und aktives Kurvenlicht. Am Heck bildet ein durchgehendes Leuchtenband bestehend aus 288 einzelnen LEDs den Abschluss.

Von Salzburg führte mich meine Fahrt zunächst über die Tauernautobahn in Richtung Süden. Über Wagrain und St. Johann im Pongau ging es nach Bruck an der Glocknerstraße, wo ich links ins Fuscher Tal abbog. Die Berglandschaft vor mir war an diesem Tag wolkenverhangen. Trotzdem setzte ich mein geplantes Vorhaben um und fuhr hinauf bis zum Hochtor. Drei Tage später hatte ich mehr Glück mit dem Wetter. An einem wolkenlosen Tag war ich wieder auf der Großglockner Hochalpenstraße und fuhr diesmal bis zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe.

ANTRIEB UND BATTERIE

Der Polestar 2 verfügt über ein Doppelmotorantriebssystem mit zwei Permanentmagnet-Synchronmotoren, die die Vorder- und Hinterachse antreiben. Beide Triebwerke sind baugleich und verfügen zusammen über eine Systemleistung von 300 kW (408 PS) und 660 Nm Drehmoment. Die Flüssigkeitskühlung ist auch für die Batterie im Einsatz. Planetengetriebe verteilen die Kraft auf alle vier Räder. Dabei sorgt der Motorregler unter Berücksichtigung aller fahrrelevanten Parameter für die optimale Verteilung zwischen Vorder- und Hinterrädern. Der Spurt von null auf 100 km/h ist in 4,7 Sekunden erledigt. Besonders beeindruckend macht sich die Leistung auch an Steigungen bemerkbar, die erste steile Rampe auf der Großglockner Hochalpenstraße nach der Mautstation Ferleiten war in Bezug auf den Vortrieb kaum spürbar. Als Energiequelle dient ein im Unterbodengehäuse integrierter Lithium-Ionen-Akku mit 324 Zellen, die auf zwei Ebenen angeordnet sind. Das Paket wiegt insgesamt 499 Kilogramm.

PERFORMANCE-PAKET STEIGERT FAHRDYNAMIK

In den Kehren hinauf zum Fuschertörl waren sehr sportliche Kurvengeschwindigkeiten möglich. Dabei hielt der Wagen auch beim ambitionierten Herausbeschleunigen aus den Kurven optimal die Spur, von den Reifen war nur in Ausnahmefällen ein leichtes Quietschen zu vernehmen. Das Zusammenspiel der speziell für den Polestar 2 entwickelten Continental SportContact 6 Pneus (erkennbar an der Kennzeichnung „POL“) und den Öhlins-Stoßdämpfern mit Dual Flow Valve (DFV) funktioniert auf höchstem Niveau. Ein zusätzliches hydraulisches Ablassventil ermöglicht den Dämpfern eine ausgesprochen sportliche Performance, da sie auftretende Druckanstiege fast augenblicklich ablassen können. Druck- und Zugstufendämpfung können manuell auf die jeweiligen Bedürfnisse eingestellt werden, auf ein elektronisches Fahrwerk wurde aufgrund der minimalistischen und fahrerorientierten Ausrichtung des Fahrzeugs bewusst verzichtet. Weitere wesentliche Faktoren für die beeindruckende Straßenlage sind der tief liegende Schwerpunkt, der sich aufgrund der Lage des Akkus ergibt und die nahezu ausgeglichenen Gewichtsverteilung von 51:49 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse.

Das Fuschtörl auf 2.428 Metern war bald erreicht und nach einer kurzen Abfahrt zur Fuscherlacke stieg die Straße wieder Richtung Hochtor an. Dort oben, wo mitten im Tunnel auf 2.504 Metern die Grenze zwischen Salzburg und Kärnten verläuft, scheiterte wenige Tage davor bei meiner ersten Auffahrt ein Ladeversuch an der kostenlosen Ladesäule, da diese aufgrund von Leitungsbauarbeiten außer Betrieb war. Da ich nur noch 14 Prozent Batterieladung (SoC) hatte und mir das System 5 Prozent bis zum Erreichen der nächsten Ladestation auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe anzeigte, beschloss ich umzukehren. Diesmal ging es jedoch weiter in Richtung Glockner. In den zahlreichen Kehren hinunter zum Kreisverkehr war ich mit dem dualen Bremssystem bestens gerüstet. Sobald das elektronische Bremspedal („Brake-by-Wire“) bedient wird, werden die Elektromotoren in den regenerativen Bremsmodus geschaltet und bremsen das Fahrzeug durch elektromagnetischen Widerstand ab. Reicht die Verzögerungsleistung nicht aus, um der vom Sensor beim Tritt des Bremspedals interpretierten Anforderung zu entsprechen, wird augenblicklich auf das hydraulische Bremssystem umgeschaltet. Im Fall des Performance-Pakets handelt es sich dabei um eine speziell für den Polestar 2 entwickelte Brembo-Bremsanlage mit Vier-Kolben-Aluminium-Bremssätteln und gelochten Scheibenbremsen vorne.

EIN PEDAL REICHT AUS

Beim One-Pedal-Driving wird die Fahrgeschwindigkeit allein mit dem Fahrpedal gesteuert. Es reicht aus dieses loszulassen, um das regenerative Bremsen bis zum Stillstand und die Rückspeisung der Energie in den Akkus einzuleiten. Die Funktion ist in zwei Stufen einstellbar oder zu deaktivieren. Ich fand die stärkere Stufe „Standard“ am angenehmsten. Bei aktivierten Kriechmodus fährt der Wagen nach Loslassen automatisch ganz langsam los. Nach Ausprobieren entschied ich mich, diesen zu deaktivieren, da ich das Anfahren lieber mit dem Fahrpedal einleite. Im Menü „Fahren“ kann weiters der Lenkwiderstand in drei Stufen eingestellt und die elektronische Stabilitätskontrolle (ESC) in den Sport-Modus geschaltet werden, um damit die Regelintensität zu senken.

HOCHWERTIGE INNENAUSSTATTUNG

Beim Design des Innenraums ist die Verwandtschaft zu Volvo erkennbar. Hier dominiert schlichte, klassische Sachlichkeit. Hochwertige Materialen soweit das Auge reicht, die dem Premiumanspruch des Fahrzeugs gerecht werden. Lediglich das vegane „WeaveTech“, ein modernes PVC-Material auf Wasserbasis, mit dem die Sitzflächen bezogen sind, fühlt sich für mich etwas zu sehr nach Gummi an. Wer das ebenso empfindet, kann gegen Aufpreis auch auf eine klassische Lederausstattung zurückgreifen. Zum Charakter des Innenraums passend sind beim Entwurf des Armaturenbretts keine futuristischen Elemente zum Einsatz gekommen und alles ist dort, wo man es erwartet.

Wo früher die analogen Rundinstrumente angebracht waren, befindet sich das 12,3-Zoll-Fahrer-Display. Die Anzeigen sind reduziert und aufgeräumt, es kann zwischen zwei Ansichten gewählt werden, mit oder ohne Kartennavigation. Hier wäre eine etwas größere Auswahl wünschenswert, zumal man alle wichtigen Informationen zur Fahrt nur über ein eigenes Menü abrufen und nicht ständig anzeigen lassen kann. Im Zentrum ist der „freischwebende“ 11,5-Zoll-Touchscreen im Hochformat angebracht. Darauf lassen sich die Infotainment-Funktionen wie Klimaregelung, Fahrzeugeinstellungen, Navigation, Telefon und Apps steuern. Der Kofferraum verfügt über ein Ladevolumen von 405 Litern. Durch Umklappen der Rücksitze kann dieses auf 1.095 Liter erweitert werden. Vorne unter der Motorhaube gibt es ein 35 Liter-Staufach, das sich optimal zur Aufbewahrung der Ladekabel eignet.

ELEKTRONISCHE SICHERHEITSSYSTEME

Neben den konstruktionstechnischen Maßnahmen und insgesamt 8 Airbags leisten die umfangreichen Fahrassistenzsysteme einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit. Diese lassen sich unkompliziert und ganz intuitiv über die Tasten auf der linken Seite des Lenkrads bedienen. Der Abstandsregeltempomat hält den gewählten Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug durch automatische Regelung der Geschwindigkeit konstant. Der Radarsensor im Frontgitter befindet sich hinter einer beheizten Platte, um auch bei winterlichen Fahrverhältnissen die Funktion sicherzustellen. Der sogenannte „Pilot Assist“ hält darüber hinaus unter optimalen Bedingungen mit Hilfe von Kameras die Fahrspur. Im Gegensatz dazu greift der Spurhalteassistent nur dann in die Lenkung ein, wenn sich ankündigt, dass der Fahrstreifen verlassen werden könnte. Bei einer drohenden Kollision warnt der Bremsassistent zuerst akustisch und visuell, bevor er im Ernstfall das Fahrzeug abbremst. Die Verkehrszeichenerkennung funktioniert einwandfrei, Tempolimits können jedoch nicht auf Knopfdruck in den Tempomaten übernommen werden. Diverse weitere Systeme lassen im Ernstfall die Bremslichter rapide aufleuchten, straffen die Gurte oder bringen das Fahrzeug zum Stillstand.

DER WEG ZUR LADESTATION

Der Polestar 2 verfügt als erstes Auto der Welt über das gemeinsam mit Google entwickelte Infotainment-System „Android Automotive OS“. Navigiert wird mit Google Maps, das um spezielle Funktionen für Elektrofahrzeuge erweitert wurde. Bei meiner ersten Fahrt auf den Glockner gab ich auf der Edelweißspitze das Ziel „Zell am See“ ein. Das Navi empfahl mir daraufhin wegen geringer Akkuladung einen Ladestopp einzulegen. Als ich dem zustimmte, wurden mir die möglichen Ladestationen angezeigt. Da ich erst in Zell am See laden wollte, entschied ich mich für die zweite Option und erhielt die Information, mit welcher Batterieladung ich dort ankommen würde und wie lange ich laden sollte. Beim Anklicken erhielt ich alle Infos zur gewählten Ladestation.

LADEN MIT WECHSELSTROM

Mittlerweile hatte mich mein Weg auf der Großglockner Hochalpenstraße vom Hochtor hinunter zum Kreisverkehr geführt. Dort bog ich rechts ab, um die Stichstraße zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe zu nehmen. Oben auf 2.369 Meter angekommen, fand ich eine freie Kelag-Ladesäule vor. Im Angesicht des Großglockners konnte ich kostenlos mit 10 kW Ladeleistung Strom tanken. Laut Anzeige hätte die Ladung von 55-100 Prozent SoC (State of Charge) dort 4,5 Stunden gedauert. Am Tag darauf erzielte ich in Kitzbühel mit 11 kW die maximal mögliche Ladeleistung mit Wechselstrom und lud in 3,5 Stunden von 59-100 Prozent. An der Haushaltssteckdose waren maximal 2,2 kW möglich. Damit war die Batterie in rund 15 Stunden von 63-100 Prozent geladen.

GLEICHSTROMLADEN MIT BIS ZU 148 KW

Am ersten Tag steuerte ich in Salzburg eine Ultra-Schnelladestation (bis zu 350 kW) von SMATRICS am Parkplatz des McArthurGlen Designer Outlet Centers an. Dort können gleichzeitig zwei Autos mit bis zu 350 kW und vier Autos mit bis zu 150 kW laden. Als ich ankam, war noch kein Fahrzeug angeschlossen. Polestar gibt die maximal mögliche Ladeleistung des Polestar 2 mit 155 kW an. Ich konnte die Ladung bei 32 Prozent SoC bequem mit der OMV E-Mobility Card starten. Bis 80 Prozent dauerte es exakt 32:54 Minuten, dann waren 41 kW mit einer maximalen Ladeleistung von 115 kW geladen. Vermutlich war diese nicht höher, da ich den Tankvorgang mit einem relativ hohen Ladestand startete.

In Zell am See hatte ich mich für die vorgeschlagene Ladestation der Salzburg AG am Parkplatz der Areitbahn entschieden, die Schnellladen mit bis zu 50 kW ermöglicht. Mit dem kontaktlosen Ladeschlüssel von Plugsurfing war auch hier das Laden komfortabel möglich. In 1:05 Stunden war der Akku mit 50 kW Ladeleistung von 14-80 Prozent SoC befüllt.

Eine weitere Schnellladung führte ich auf der Autobahnraststätte Angath/Nord im Bezirk Kufstein durch. Die IONITY-Ladestation wird dort gemeinsam mit Standortpartner OMV betriebenen. High Power Charging (HPC) mit bis zu 350 kW ist möglich. Der Ladevorgang startete bei 12 Prozent SoC. Nach kurzem war mit 148 kW die maximale Ladeleistung dieses Tankvorgangs erreicht und konnte bis knapp 30 Prozent gehalten werden. Ab 45 Prozent fiel der Wert auf unter 100 kW, am Ende bei 80 Prozent waren es noch 53 kW. In 39:16 Minuten hatte ich 56 kWh geladen.

ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO

Der Polestar 2 ist ein überaus gelungenes Elektrofahrzeug, dass vor allem mit dem Performance-Paket über sehr sportliche Gene verfügt. Der harmonische Antrieb und das optimal abgestimmte Fahrwerk ermöglichen eine sehr ambitionierte Fahrweise. Klare Linien und die reduzierte Innenausstattung mit dezenten, hochwertigen Materialen erinnern an die Verwandtschaft zu Volvo. Lediglich beim Verbrauch kann der Stromer mit dem direkten Mitbewerb nicht mithalten. Während meines Tests über insgesamt 880 Kilometer legte ich zur Ermittlung des Testverbrauchs eine möglichst repräsentative Runde von 300 Kilometer zurück: Davon fuhr ich 80 Prozent auf Überlandstraßen und den Rest auf der Autobahn mit maximal 130 km/h. Zwischen dem höchsten und tiefsten Punkt lagen 775 Höhenmeter. Der durchschnittliche Verbrauch pendelte sich bei 21,8 kWh/100 km ein, was eine Gesamtreichweite von 344 Kilometern bedeutete.

Der Grundpreis des Polestar 2 beträgt in Österreich in der Farbe Void (Schwarz) 55.900 Euro. Jede weitere Farbe kostet 1.000 Euro und das Performance-Paket 6.000 Euro Aufpreis. Die Ausstattungspakete Pilot und Plus sind zum Start im Preis enthalten. Damit kostete das Testfahrzeug 62.900 Euro (Herstelleranteil der E-Mobilitätsförderung bereits berücksichtigt). Die ersten Fahrzeuge werden in Österreich nach der Online-Bestellung im Herbst ausgeliefert, die erforderlichen Servicearbeiten übernimmt das Volvo-Händlernetz.

Text und Fotos: Armin Hoyer – arminonbike.com

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