4. April 2025 Armin Hoyer

Von der kleinsten in die größte Stadt Österreichs | Extravagantes SUV-Coupé Polestar 4 im Test

Das rein elektrisch angetriebene SUV-Coupe Polestar 4 im historischen Stadtzentrum von Rattenberg.

Rattenberg-Wien – Mit dem SUV-Coupé Polestar 4 hat der schwedisch-chinesische Autohersteller sein drittes rein elektrisches Modell auf den Markt gebracht. Das neuartige Fahrzeugkonzept des Performance-Stromers verzichtet auf eine Heckscheibe und bietet durch das weit nach hinten gezogene Glasdach ein völlig neues Raumgefühl …

Die von Volvo und Geely ins Leben gerufene Premium-Marke Polestar steht für ihr eigenständiges Design und die hohe Performance. Dies gilt auch für das SUV-Coupé Polestar 4. Durch die Zweiteilung der markanten Pixel-LED-Scheinwerfer ist eine Neuinterpretation der ohnehin bereits markanten Polestar-Front entstanden. Die fehlende Heckscheibe ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal.

Dank Polestar Österreich durfte ich im Topmodell Polestar 4 Long Range Dual Motor Platz nehmen – mit an Bord alle verfügbaren Ausstattungspakete. Der im grauen Farbton „Storm“ lackierte Performance-Stromer rollt auf geschmiedeten 22-Zoll-Leichtmetallrädern mit Reifen der Dimension 265/40, die für einen kraftvollen Auftritt sorgen. Belüftete Bremsscheiben werden von Brembo-Vierkolben-Bremssättel verzögert. In Anlehnung an die skandinavischen Wurzeln des Fahrzeugs sind diese in der Farbe Schwedisch-Gold gehalten.

Der Test führte mich vom Pillerseetal nach Rattenberg im Bezirk Kufstein. Die mit weniger als 500 Einwohnern kleinste Stadt Österreichs wurde im Jahr 1254 erstmals urkundlich erwähnt und ist bekannt für ihre mittelalterliche Fußgängerzone und die traditionellen Glasbetriebe. Nach zahlreichen weiteren Testkilometern in Tirol und dem Land Salzburg führte mich mein Weg nach Wien, in die bekanntlich größte Stadt Österreichs.

PERFORMANCE UND FAHRKOMFORT AUF OBERKLASSE-NIVEAU

Zwei Permanentmagnetmotoren sorgen beim Allradmodell des Polestar 4 für eine Systemleistung von 400 kW (544 PS) und 686 Nm Drehmoment. In gerade einmal 3,8 Sekunden eilt der 2,4-Tonner damit von null auf 100 km/h. Auch der Durchzug beim Überholen ist extrem kraftvoll. Einen weiteren wichtigen Beitrag zur herausragenden Fahrdynamik liefern aktive ZF-Stoßdämpfer, die elektronisch einstellbar sind. Auf der sehr kurvenreichen Hochkönig Straße beeindruckte mich die extrem gute Straßenlage des 2,4-Tonners, die man von einem SUV nicht erwarten würde. Selbst in engen Kurven und Kehren waren damit erstaunliche Kurvengeschwindigkeiten möglich.

Neben der sportlichen Performance bietet der 4,8 Meter lange Polestar 4 aber auch noch eine ganz andere Seite. Beim Dahingleiten auf der Autobahn bietet der Stromer einen hervorragenden Reisekomfort. Besonders beeindruckte mich dabei die Geräuschdämmung, die sich vor allem bei höheren Geschwindigkeiten bemerkbar macht. So dringt kaum ein Laut in den Innenraum und es herrscht angenehme Ruhe.

TOP-TRAKTION AUCH AUF EIS UND SCHNEE

Wie bereits mein vorangegangener Test im winterlichen Saalbach zeigte (Link zum Testbericht in der Tiroler Tageszeitung), bietet der Polestar 4 Dual Motor dank des elektronisch geregelten Allradantriebs auch auf vereister und schneeglatter Fahrbahn eine ausgezeichnete Traktion. Beim ambitioniertem Beschleunigen aus Kurven heraus blieb der Midsize-SUV stets unbeirrt in der Spur. Selbst nach dem Anhalten an der steilsten Stelle einer Bergstraße konnte ich problemlos wieder anfahren.

NOBLE SCHLICHTHEIT IM GROSSZÜGIGEN INNENRAUM

Einsteigen und wohlfühlen ist im Polestar 4 Programm. Der modern und reduziert gehaltene Innenraum macht einen sehr hochwertigen Eindruck. Die Sitze des Testfahrzeugs sind mit feinstem Nappaleder vom schottischen Traditionshersteller Bridge of Weir bezogen. Dementsprechend angenehmer Duft verbreitet sich im Fahrzeuginneren. Auf längeren Fahrten sorgt die Massagefunktion mit unterschiedlichen Programmen für zusätzlichen Komfort.

Das Cockpit ist sehr aufgeräumt. Am Lenkrad befinden sich etwas gewöhnungsbedürftige Touch-Tasten. Es dauert ein wenig, bis man den optimalen Druckpunkt herausgefunden und man sich bezüglich der Funktionen orientiert hat. Berührt man eine der Tasten, zeigt das 10,2 Zoll große Fahrerdisplay an, wie die jeweilige Funktion zu handhaben ist. Eine feine Sache, sobald man sich daran gewöhnt hat. Über das zentrale 15,4-Zoll-Display werden nahezu alle Funktionen gesteuert – bis hin zur Einstellung der Außenspiegel und dem Öffnen des Handschuhfaches. Die Home-Ansicht kann individuell angepasst werden.

Unter der hohen Mittelkonsole mit zwei integrierten Becherhaltern ist großzügiger Stauraum vorhanden. In der Ablage vor dem stylischen Drehregler für Lautstärke und Medienauswahl kann ein Smartphone induktiv geladen werden. An der Stelle sei erwähnt, dass das Harman Kardon Soundsystem ein erstklassiges Hörerlebnis bietet.

Auf der bequemen Rücksitzbank herrscht reinster Luxus. Die Sitze sind beheizbar und in der Neigung verstellbar. Die großzügige Mittelarmlehne bietet eine Ablagemöglichkeit und zwei ausfahrbare Becherhalter. Über einen eigenen Touch-Screen kann die Klimaeinstellung und Medienauswahl vorgenommen werden. Mit einem Radstand von drei Metern übertrifft der Polestar 4 den Porsche Macan Electric um zehn Zentimeter, mit dem Mercedes EQE SUV liegt er auf Augenhöhe. Dementsprechend großzügig fallen die Platzverhältnisse auf der Rückbank aus. Das weit nach hinten gezogene Glasdach verleiht den Fondpassagieren ein neues Raumgefühl.

Dafür entfällt die Heckscheibe. Den Blick nach hinten ermöglicht eine HD-Kamera, die bei jedem Wetter ungetrübte Bilder an den digitalen Rückspiegel liefert. Lediglich Gleitsichtbrillenträger wie ich haben ein Problem damit, bei normaler Kopfhaltung das Bild scharfzustellen. Da dies in der Praxis aber nicht unbedingt erforderlich ist, störte es mich nach kurzer Gewöhnungsphase nicht mehr. Beim Retourfahren nutze ich ohnehin das Bild der Rückfahrkamera am großen zentralen Bildschirm. Zudem ist für mich zur Orientierung beim Einparken in der Tiefgarage der Blick durch die seitlichen Fenster wesentlich wichtiger.

Im Kofferraum können bis zu 526 Liter verstaut werden. Bei umgeklappten Rücksitzen werden daraus 1.536 Liter. Damit befindet sich der Polestar 4 auf Klassenniveau. Der vordere Frunk fällt mit 15 Litern etwas klein aus. Die gebremste Anhängerlast von 2.000 Kilogramm bringt zusätzliche Transportmöglichkeiten.

Bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h ist teilautonomes Fahren möglich, bei dem der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug und die Fahrspur automatisch eingehalten wird. Dies funktioniert sehr gut. Lediglich die zeitweise beim Spurwechsel auf der Autobahn automatisch eingeleiteten Bremsmanöver fielen für mich etwas zu abrupt aus. Während des Parkvorgangs und Losfahrens bieten nicht weniger als 11 Außenkameras eine realistische 3D-Ansicht des Fahrzeug und des Umfelds.

KOMFORT VERBRAUCHT ENERGIE UND KOSTET REICHWEITE

Der Energiespender des Polestar 4 ist eine große 100 kWh Lithium-Ionen-Batterie (94 kWh Nettokapazität). Der Hersteller gibt eine WLTP-Reichweite von knapp 600 Kilometern an, die ich in der Praxis bei durchschnittlichen Temperaturen von 15 °C nicht annähernd erreichen konnte. Auf Bundesstraßen im Land Salzburg und Tirol verbrauchte ich bei defensiver Fahrweise im Schnitt 22 kWh/100 km. Konstantes Abrufen der vorhandenen Leistung kann den Verbrauch um bis zu 5 kWh/100 km erhöhen. Im Alltag bedeutet dies eine Reichweite von rund 400 Kilometern.

Auf der Reise von Salzburg nach Wien und retour verbrauchte der Polestar 4 bei erlaubtem Autobahntempo 27 kWh/100 Kilometer, was eine Reichweite von 350 Kilometer bedeutete. Die Strecke vom Pillerseetal in die Bundeshauptstadt ist daher mit einer halbstündigen Ladepause zu bewältigen. Etwas überrascht war ich von dem Verbrauch im Stadtverkehr von Wien, der mit 23 kWh/100 km vergleichsweise hoch ausfiel.

SCHNELLLADEN MIT WECHSELNDER PERFORMANCE

Der Polestar 4 bietet laut Hersteller eine maximale Ladeleistung von bis zu 200 kW und damit Aufladen von 10 auf 80 Prozent SoC in 30 Minuten. Während meines Test konnte ich diese Performance trotz ausreichender Vorkonditionierung des Akkus nur bei einem von drei Ladevorgängen erreichen. An der 350-kW-Ladestation des Anbieters Ionity in Angath kam ich mit 9 Prozent SoC an. Bei Versuchen an drei unterschiedlichen Ladesäulen konnte ich eine maximale Ladeleistung von gerade einmal 123 kW erzielen. An den Ladesäulen lag es vermutlich nicht, da neben mir mit über 300 kW geladen wurde. So dauerte der Ladevorgang von 18 auf 80 Prozent 34 Minuten.

Am Weg nach Wien lief es dann deutlich besser. Ich kam mit 11 Prozent SoC beim 400 kW Smatrics EnbW Lade-Hub in Vorchdorf an. Laut Ladesäule wurde bei 15 Prozent kurzzeitig eine maximale Ladeleistung von 204 kW erzielt. Mit durchschnittlich 135 kW waren in 31 Minuten 80 Prozent erreicht. Bei der Rückfahrt von Wien nach Tirol konnte ich beim Einkaufspark Seering in St. Georgen im Attergau an einer ebenfalls von Smatrics EnbW betriebenen 300-kW-Ladesäule in 30 Minuten von 16 auf 80 Prozent aufladen. Die maximale Ladeleistung betrug dabei 178 kW, durchschnittlich waren es 131 kW. Interessantes Detail am Rande: alle drei Schnellladesäulen beendeten den Ladevorgang bei einer Anzeige von 79 Prozent, obwohl im Fahrzeug 80 Prozent eingestellt und angezeigt wurden.

WECHSELSTROMLADEN MIT BIS ZU 22 kW TOP

In Wien angekommen fand ich am Schottenring direkt vor der Börse eine freie 11-kW-Ladesäule von Wien Energie City vor. Da der Polestar 4 zu Beginn als zweites Fahrzeug an der Ladesäule hing, betrug die effektive Ladeleistung 9 kW. Die Polestar-App zeigte 10,3 kW an. Damit hätte es von 20 auf 100 Prozent laut Anzeige rund 8,5 Stunden gedauert. Als jedoch das zweite Fahrzeug den Ladevorgang beendet hatte, verdoppelte sich die Ladeleistung auf 18 kW bei gleichzeitiger Halbierung der Ladedauer. Wie mir von Wien Energie auf Anfrage bestätigt wurde, ist dies an allen Ladestellen der Gruppe „City“ möglich, wenn das Fahrzeug die technischen Voraussetzungen dafür erfüllt.

Nachdem ich die Innenstadt verlassen hatte, konnte ich während eines Abendessens in Döbling an einer weiteren Ladesäule von Wien Energie, diesmal in der Silbergasse, in knapp drei Stunden von 43 auf 100 Prozent SoC aufladen. Dies bedeutete eine durchschnittliche Ladeleistung von 18 kW. Die Polestar-App meldete dabei wieder einen Ladevorgang mit 20,5 kW. Während eines aktiven Ladevorgangs erspart man sich die Parkgebühr im Stadtgebiet von Wien. Es ist jedoch darauf zu achten, spätestens 15 Minuten nach Beendigung des Ladevorgangs die Ladestelle zu verlassen, um nicht an Werktagen von Montag bis Freitag im Zeitraum von 9 bis 22 Uhr eine Parkstrafe zu riskieren.

ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO

Der Polestar 4 ist ein sehr fortschrittliches Elektroauto. Durch das eigenständige Design und die außergewöhnliche Performance des Allrad-Modells ist das SUV-Coupé ein würdiger Vertreter der Marke. Der hochwertige Innenraum mit dem großzügigen Raumangebot macht das Reisen zum Genuss. Dank des semiaktiven Fahrwerks ist von sportlichem Fahren bis zu komfortablem Dahingleiten alles möglich.

Die WLTP-Reichweite wurde im Test deutlich unterschritten. Dank der großen Batterie ist die Reichweite dennoch praxistauglich. Die Performance beim Schnellladen könnte etwas besser sein. Da die maximale Ladeleistung von 200 kW ohnehin keinen Rekordwert darstellt, sollte diese zumindest bei jedem Ladevorgang uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Natürlich würde ein System mit 800-V-Technologie besser zu dieser Fahrzeugklasse passen. Beim Wechselstromladen bringt das optionale 22-kW-Onboard-Ladegerät unterwegs einen deutlichen Komfortgewinn. Während eines 2,5-stündigen Aufenthalts an einer geeigneten Ladesäule kann der Akkustand damit um 50 Prozent erhöht werden.

Der Polestar 4 Long Range Single Motor mit Heckantrieb startet in Österreich vor Abzug der E-Mobilitätsförderung bei 59.990 Euro. Ab 67.990 Euro geht es mit Allradantrieb los. Das Testfahrzeug Long Range Dual Motor mit Allrad und Vollausstattung liegt bei 85.990 Euro. Ein Premium-Preis für ein Premium-Fahrzeug.

04.04.2025 | Text und Fotos: Armin Hoyer – arminelectric.com

Testbericht Polestar 4

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