24. Februar 2023 Armin Hoyer

Jetzt funkt’s bei Toyota endlich richtig | Vollelektrischer bZ4X im Wintertest

Armin in front of Toyota bZ4X | Photo: Armin Hoyer

Fieberbrunn | Tirol – Seit Sommer 2022 am Markt ist der Toyota bZ4X das erste rein elektrisch angetriebene Fahrzeug des größten Autobauers der Welt. Mit etwas Verspätung, da man bei alternativen Antrieben bisher nur auf Hybrid- und Wasserstofftechnologie gesetzt hatte. Im Wintertest zeigte sich, wie gut das Elektroauto mit der kalten Jahreszeit zurechtkommt…

Los ging es beim Fahrzeughändler ÖFAG (Österreichische Fahrzeug GmbH), der im Bundesland Salzburg an vier Standorten Automobile der Marken Opel, Nissan und Toyota anbietet. Toyota Austria hatte mir das Testfahrzeug zur Abholung in die Filiale nach Salzburg liefern lassen. Da stand er jetzt erstmals vor mir, der vollelektrische Toyota bZ4X in der Top-Ausstattung mit Allradantrieb. Eine kraftvolle Erscheinung mit der kantigen, klaren Linienführung und den großen 20-Zoll-Leichtmetallfelgen. Vom Design her wirkte er auf mich moderner als der vergleichbare Toyota RAV4, aber nicht so futuristisch wie so manch anderer Stromer. Die Lackierung „Platinum Pearlwhite Metallic“ verleiht dem E-SUV in Kombination mit dem schwarzen Dach und den dazu passenden Verkleidungen der Radkästen einen sehr stylischen Look.

ERSTER TOYOTA AUF e-TNGA PLATTFORM

Die neue modulare Plattform wurde von Toyota speziell für E-Fahrzeuge entwickelt und kommt erstmals beim bZ4X zum Einsatz. Aufgrund ihrer Modularität und Skalierbarkeit wird sie auch zukünftigen bZ-Modellen als Basis dienen. Die unter dem Wagenboden eingebaute Antriebsbatterie dient als tragendes Element und trägt zum tiefen Schwerpunkt des Fahrzeugs bei. Das Fahrverhalten des Crossover-SUV konnte mich beim Test voll und ganz überzeugen. Mit seinem straffen, aber nicht unkomfortablen Fahrwerk liegt der Wagen satt auf der Straße und lässt sich für einen Zweitonner sehr dynamisch bewegen. Dazu trägt auch der Antrieb des Allradlers bei. An der Vorder- und Hinterachse werkt je ein 80 kW (109 PS) starker E-Motor. Aus Effizienzgründen wird das hintere Aggregat nur im Bedarfsfall zugeschaltet. Im alltäglichen Betrieb bieten die 160 kW (218 PS) Systemleistung und 336 Nm Drehmoment jede Menge Fahrspaß. Der Sprint von null auf 100 km/h ist nach 6,9 Sekunden erledigt, der hervorragende Durchzug bietet bei Überholmanövern eine beruhigende Sicherheitsreserve.

ALLRADANTRIEB MIT SPEZIELLEN OFFROAD-FUNKTIONEN

Der bZ4X ist wahlweise mit Front- oder Allradantrieb erhältlich. Für den Wintertest war mein Testfahrzeug mit Allradantrieb ausgerüstet. Das von Toyota gemeinsam mit Subaru entwickelte X-Mode-Allradsystem verleiht dem Midsize-SUV außergewöhnliche Offroad-Qualitäten. Auf der stark vereisten Straße hinauf zum Alpengasthof Lärchfilzhochalm konnte ich mich davon überzeugen. Ich wählte das Fahrprogramm „Schnee/Schotter“. Damit kam der bZ4X auch auf den steilsten Passagen mühelos voran, nur ab und zu musste kurz das ESP eingreifen. Für gröberes Gelände stehen weitere Fahrprogramme zur Verfügung.

KOMFORTABLER INNENRAUM BIETET VIEL RAUM

Durch Ziehen am Türgriff sperrte ich das Auto auf und nahm auf den mit perforiertem Textilleder bezogenen Sitzen Platz. Diese sind sind sowohl beheiz- als auch belüftbar, der Fahrersitz elektrisch in alle erdenklichen Richtungen einstellbar. Vor mir die nahe an der Windschutzscheibe angebrachte 7 Zoll große LCD-Multi-Informationsanzeige, die alle wichtigen Fahrdaten anzeigt. Auch die meisten Einstellungen können hier vorgenommen werden. Etwas gefehlt hat mir dabei der Akkustand in Prozent, dieser ist nur am Smartphone über die kostenlose Toyota-App „MyT“ abrufbar. Der kleine, blaue Balken ohne Skala ist als „Tankanzeige“ nur bedingt aussagekräftig. Das mittig angebrachte 12,3 Zoll-Full-HD-Touchdisplay beinhaltet alle Multimediaanwendungen, wie auch das einwandfrei funktionierende Navigationssystem, das jedoch ohne Ladeplanung auskommen muss. Im Stand ist über eine WLAN-Verbindung auch Surfen im Internet möglich. Die Steuerung der Klimatisierung ist praktischerweise vom Display getrennt und über die darunter liegenden Wippen und Touchtasten selbsterklärend zu bedienen.

Bremse und Power-Knopf gleichzeitig betätigt, schon fuhr der Sitz in Position und der Stromer erwachte zum Leben. Dann nur noch durch Drücken und Drehen am zentralen Schaltrad die Fahrstufe „D“ wie „Drive“ eingelegt und schon ging es vorwärts. Rund um das Schaltrad sind zahlreiche Schalter angeordnet. Darunter auch der für das „Single Pedal Drive“, bei dem durch verstärkte Rekuperation Fahren nahezu ohne zusätzlichem Bremsen möglich wird. Nach kurzer Eingewöhnungszeit fand ich mich mit der Tastenlandschaft gut zurecht. Lediglich das davor liegende Fach für das Smartphone ist durch das immer wieder erforderliche Auf- und Zuklappen etwas umständlich zu handhaben.

Unter und in der Mittelkonsole befinden sind großvolumige Ablagefächer. Auch in den Türverkleidungen gibt es jede Menge Platz. Hinten ist es sogar möglich, eine 1-Liter-Flasche abstellen. Das gewohnte Handschuhfach fehlt dem bZ4X jedoch. Fahrer und Beifahrer finden großzügige Platzverhältnisse vor, die sich bei den Fondpassagieren fortsetzen. Der Kofferraum ist mit 452 Litern Fassungsvermögen zwar nicht riesig, aber vollkommen ausreichend bemessen. Im Bedarfsfall lässt sich die Rücksitzlehnen im Verhältnis 60:40 umlegen und so das Ladevolumen deutlich erhöhen.

IM WINTER KEIN REICHWEITENWELTMEISTER

Die Antriebsbatterie mit Wasserkühlung verfügt über eine Bruttokapazität von 71,4 kWh. Bei Temperaturen rund um den Gefrierpunkt konnte der bZ4X die angegebene WLTP-Reichweite von 415 Kilometern nicht annähernd erreichen. Beim Losfahren in Salzburg lag die Außentemperatur bei 1 Grad. Mit vollem Akku und der Klimaanlage im Eco-Modus zeigte die Reichweitenprognose 278 Kilometer an. Damit kostete die Klimaanlage rund 100 Kilometer oder 25 Prozent der Gesamtreichweite. Ein anderes Bild bei ausgeschalter Klimatisierung: 371 Kilometern und damit nahe der Werksangabe – im Winter aber nur ein rein theoretischer Wert.

Nun aber zur Praxis: Bereits nach einem zurückgelegten Kilometer fiel die Prognose um 21 auf 257 Kilometer. Nachdem ich zwei Tage und 231 Kilometern bei Temperaturen zwischen plus 2 und minus 5 Grad unterwegs war, steuerte ich mit 11 Prozent Akkuladung in Kitzbühel erstmals eine Ladesäule an. Hochgerechnet ergab dies eine Reichweite von rund 260 Kilometern, also nur etwas mehr als 60 Prozent der WLTP-Reichweite. Das Problem des Reichweitenverlusts bei tiefen Temperaturen haben grundsätzlich alle Elektrofahrzeuge, beim bZ4X war dieses im Test jedoch besonders ausgeprägt.

NIEDRIGE TEMPERATUREN REDUZIEREN LADEGESCHWINDIGKEIT

Laut Toyota erzielt der bZ4X mit Gleichstrom eine maximale Ladeleistung von 150 kW. Bei niedrigen Temperaturen hat er das nicht geschafft. An der ersten Ladestation am Parkplatz P6 Kapser Kreisel, bei der laut Stadtwerke Kitzbühel mit zumindest 120 kW geladen werden kann, erreichte ich eine maximale Ladeleistung von 66 kW. Einem weiteren bZ4X-Fahrer, der gleichzeitig dort lud, erging es ähnlich. Ob die geringe Ladeleistung am Auto, an der Ladestation oder an der niedrigen Temperaturen unter Gefrierpunkt lag, kann ich nicht beurteilen.

An einer 350 kW-Ionity-Schnellladesäule bei der Autobahnraststätte Angath/Nord im Bezirk Kufstein lief es dann schon besser. Bei 7 Grad Außentemperatur konnte ich eine maximale Ladeleistung von 94 kW erzielen und damit in 35 Minuten von 14 auf 80 Prozent laden. Das war ein guter Wert, der auch für Langstreckenfahrten praxistauglich ist. Aufgefallen ist mir, dass die Ladeleistung ab 80 Prozent SoC stark abfiel und dabei auf unter 20 kW zurückging. Um mein Ziel ohne zusätzlichen Ladestopp zu erreichen, lade ich auf längeren Autobahnfahrten auch gerne einmal über 80 Prozent, was in diesem Fall etwas zeitaufwändig gewesen wäre. Da die Smatrics-Ladekarte dort nicht funktionierte, musste ich über die Ionity-App mit Kreditkarte 0,79 Euro/kWh bezahlen, was für 43 geladene kWh 34 Euro bedeutete. Bei einer weiteren Gleichstromladung, diesmal an der 50 kW-Smatrics-Ladestation am Parkplatz P1 Hahnenkammbahn in Kitzbühel, erzielte ich bei minus 4 Grad Außentemperatur eine durchgehend maximale Ladeleistung von 35 kW.

ÄHNLICHES BILD BEIM WECHSELSTROMLADEN

In der ersten Generation und damit auch im Testfahrzeug verfügt der bZ4X über ein 1-phasiges Onboard-Ladegerät mit einer maximalen Ladeleistung von 6,6 kW. In der aktuellen Version, die bereits seit Dezember 2022 bestellbar ist, hat Toyota nachgebessert und auf 3-phasiges Wechselstromladen umgestellt. Damit sollen die klassenüblichen 11 kW möglich sein. Beim Test an der 22 kW-Smatrics-Ladestation in Fieberbrunn konnte ich eine Ladeleistung von durchschnittlich 4,5 kW erzielen. Bei einem Akkustand von 63 Prozent zeigte der E-SUV für eine Ladung bis 100 Prozent eine Ladedauer von 6:50 Stunden an. Kein Problem, wenn man zu Hause über Nacht oder im Büro während des Tages an einer Wallbox laden kann. Unterwegs ist die Ladegeschwindigkeit nur eingeschränkt praxistauglich. Da ist man meistens auf Gleichstromladen angewiesen, was im Bezirk Kitzbühel aufgrund der geringen Abdeckung noch eine gewisse Herausforderung darstellt.

ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO

Mit dem bZ4X ist Toyota ein erster, großer Schritt in Richtung rein elektrisch angetriebener Fahrzeuge gelungen. Design, Antrieb, Fahrwerk und Komfort entsprechen dem Premium-Anspruch der Marke. Bei den für Elektrofahrzeuge wesentlichen Eigenschaften wie Reichweite und Ladeleistung konnte die erste Version des bZ4X im Wintertest jedoch nicht ganz überzeugen. Die Reichweite von 260 Kilometern, ein Verbrauch von rund 25 kWh/100 Kilometer und die geringen  Ladeleistungen bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt zeigen, dass hier noch Aufholbedarf gegeben ist. Toyota sollte unbedingt nachbessern, um das ansonsten sehr gelungene Elektro-SUV auch im Winter praxistauglicher zu machen.

Gegen Ende des 871 Kilometer langen Tests stellten sich wärmere Temperaturen ein. Da fühlte sich der Toyota bZ4X schon deutlich wohler. Bei über 10 Grad fiel der Durchschnittverbrauch auf unter 20 kWh/100 km. Beim abschließenden Ladestopp an der 300 kW-Smatrics-Ladestation am Parkplatz des Designer Outlets Salzburg konnte ich bei 17 Grad Außentemperatur eine maximale Ladeleistung von hervorragenden 134 kW erzielen. Dabei wurde der Akku in sehr praxistauglichen 31:38 Minuten von 11 auf 80 Prozent SoC aufgeladen.

Der Preis des Toyota bZ4X startet in Österreich bei 51.290 Euro (Frontantrieb) beziehungsweise 54.170 Euro (Allrad). Mit der darin enthaltenen Preissteigerung von 3.000 Euro wurde im Dezember 2022 die maximale Ladeleistung des Onboard-Ladegeräts von 6,6 kW (1-phasig) auf 11 kW (3-phasig) erhöht. Das Testfahrzeug in der Topkonfiguration mit Comfort- und Executive Ausstattungspaket sowie dem Style Paket liegt aktuell bei 65.210 Euro.

Text und Fotos: Armin Hoyer – arminelectric.com

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